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Damit Goethe nicht verschwindet
Zeutschel aus Hirschau ist Weltmarktführer bei Scannern. In Zukunft wird es nicht nur um Bücher gehen, sondern auch um kulturelle Objekte. Von Carolin Albers.
Vor dem Eingang der Firma Zeutschel steht ein großes, aufgeschlagenes Buch aus Stein: „Papier, wie alle wissen, ist nur dürres Laub, es wird vom Wind zerrissen, und ist des Funkens Raub“, ist dort zu lesen. Wer die Firma betreten will, kommt automatisch an Ludwig Uhlands Versen vorbei. Das „dürre Laub“ ist wiederum die Geschäftsgrundlage von Zeutschel: Die Firma produziert Scanner, mit denen Bibliotheken und Archive weltweit ihre Bücher digitalisieren, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Die Kunden der Zeutschel-Scanner sind durchaus beachtlich: Da ist zum Beispiel das Nationalarchiv der USA, die British Library und die Nationalbibliotheken in Brasilien, China und Südafrika. „Wir stehen auch mit drei Geräten im Vatikan in Rom“, sagt Christian Hohendorf, der zusammen mit Markus Wagner seit dem 1. Juli Geschäftsführer ist. In fast jeder Nationalbibliothek und jedem Nationalarchiv steht ein Gerät von Zeutschel.
Auch die Werke, die mit Zeutschel-Geräten digitalisiert wurden, sind historisch wertvoll: etwa Handschriften von Goethe, das deutsche Grundgesetz, Korrespondenzen von Abraham Lincoln, Kompositionen Johann Sebastian Bachs und die neuseeländische Petition für die Einführung des Frauenwahlrechts von 1893. Demnächst auch ein 3000 Jahre altes Buch aus Peking, das sich die beiden CEOs bald vor Ort anschauen werden, um zu wissen, wie sie ihre Scanner anpassen müssen, um auch das große, alte Buch aus China optimal scannen zu können. Vier verschiedene Scanner-Familien und 20 Untermodelle bietet das Unternehmen aus Hirschau an. Jeder Scanner ist Handarbeit und wird in Hirschau produziert. Die verbauten Teile stammen – bis auf die Elektronik – aus Baden-Württemberg. Zeutschel ist Weltmarktführer bei Scannern. Gerade mal vier bis fünf Konkurrenten habe das Unternehmen weltweit, so Hohendorf – zwei davon in Deutschland.
“ Wir stehen auch mit drei Geräten im Vatikan in Rom.“
Mit den Scannern, die in vielen Büro-Fluren oder bei vielen Menschen zu Hause stehen, sind die Scanner aus Hirschau aber nicht zu vergleichen. Das merkt man auch an den Preisen, die bei knapp 9000 Euro anfangen und gut mal bis zu 240 000 Euro mit sämtlichem Zubehör gehen können. Aber was ist das Besondere an den Scannern? Zum einen sind die verbauten Teile wie die Kameras und Sensoren deutlich hochwertiger. Und zum anderen ist es die Software. Der Unterschied zu gängigen Scannern sei wie Tag und Nacht, so Hohendorf. Als er vor vier Jahren in die Branche einstieg und seinen normalen Büro-Scanner mit einem hochwertigen verglich, war er sich sicher: Der billige Scanner muss kaputt sein, so anders sah der Test-Scan aus.
Das Problem mit dem Speichern
Was die zwei Geschäftsführer in ihrer Branche merken: „Der Gesamtmarkt profitiert von Krisen, so traurig es ist“, sagt Wagner. „Da wachen die Leute auf und sehen, dass man Kulturgüter für die Nachwelt erhalten will.“ Hohendorf ergänzt: „Die Ukraine ist ein Krieg vor der eigenen Haustür, da sehen fast alle Länder die Notwendigkeit zu digitalisieren.“ Es geht aber nicht nur um Bücher: In Zukunft werde die Aufgabe sein, auch Objekte zu digitalisieren.
Wertvolle Vasen etwa oder Skulpturen. Und auch Bücher, die bereits vor zehn Jahren gescannt wurden, werden nun nochmals digitalisiert – die Technik der heutigen Scanner ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Ein Problem ist allerdings der Speicherplatz. „Man hat gar nicht so viel Speicherplatz, um alles zu scannen“, sagt Hohendorf. „Wenn man mit unserem größten Scanner ein Bild in höchster Auflösung digitalisiert, sind das vier Gigabyte.“ Und digitaler Speicher ist teuer. Bibliotheken und Archive müssen daher entscheiden, was sie digitalisieren und was nicht. Und dann kommt auch ein weiteres Problem hinzu: „Irgendwann muss man den digitalen Speicher konvertieren“, sagt Wagner. Bisher speichert man in allen gängigen Formaten ab. „Einen Speicher, der 100 Jahre lang hält, haben wir noch nicht.“, sagt Wagner. „Eine Langzeitarchivierung digitaler Bestände gibt es noch nicht, die mit einem normalen finanziellen Aufwand zu stemmen wäre.“
Der unbekannte Weltmarktführer aus Hirschau
In seiner Branche ist Zeutschel bekannt, das Unternehmen ist schließlich Weltmarktführer beim Buch-Scannen. Sonst kennen die Firma eher wenige: „Wenn man jemanden in Hirschau auf der Straße anspricht, wird die Person uns vermutlich nicht kennen“, sagt Markus Wagner. Das wollen er und Christian Hohendorf, die seit dem 1. Juli die neuen Geschäftsführer des Unternehmens sind, ändern und treten als Sponsoren auf wie etwa für die Tübinger Tigers. Das Unternehmen wurde 1961 gegründet, hat 64 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist zudem Ausbildungsbetrieb. 13 Millionen Euro Umsatz hat Zeutschel im vergangenen Geschäftsjahr gemacht.
Ein Artikel aus „Schwäbisches Tagblatt“ vom 19.09.2023
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Bildnachweis
Titelbild
Christian Hohendorf (links) und Markus Wagner neben dem besten und größten Scanner des Unternehmens: In der Kameralinse sind 20 Kilogramm Glas verbaut. Etwas mehr als die Größe DIN A0 kann das Gerät scannen mit einer Auflösung von bis zu 1200 dpi.
Bild: Carolin Albers
Notenblatt
Ein Scan von Bachs Handschrift der Johannespassion.
Bild: Zeutschel GmbH